CASA 21 – Zentrum für Wohnungslose: Frankfurt mit anderen Augen sehen
VON: MARC SCHREINER
Schon seit einiger Zeit wollte ich meine Arbeitskraft wieder den Menschen widmen, mich sozial engagieren, für Andere einsetzen, etwas Sinnvolles tun. Raus aus dem jährlichen Zwang der Umsatzsteigerung - nur eine Küche mehr am Tag, nur ein Elektrogerät mehr pro Küche… und das jedes Jahr wieder - um neue Umsatzziele zu erreichen. Mit einem Auge schielte ich seit langem in Richtung Sozialkaufhaus- nicht sonderlich verwunderlich als gelernter Einzelhandelskaufmann.
Doch dann wurde eine Stelle in der Wohnungslosenhilfe frei. Wohnungslosenhilfe? Ein Bereich, mit dem ich mich bis dahin noch nie auseinandergesetzt hatte. In Deutschland, unserem Sozialstaat, muss doch niemand auf der Straße leben, der das nicht möchte… oder etwa doch? Ich fing also an zu recherchieren, las mich in die Thematik ein und schnell wurde mir klar, dass ich mit meiner ursprünglichen Meinung falsch lag. Und mein Interesse war geweckt. Also verschickte ich meine Bewerbungsunterlagen, durfte mich persönlich vorstellen, kam zum Probearbeiten.
Wie meine Arbeit in der CASA 21 meine Sicht verändert hat
Und in der Tat: die Situation der Wohnungslosen und die Arbeit in diesem Bereich ist komplett anders, als zunächst vermutet. Ich treffe täglich auf Menschen, die arbeiten. Trotzdem haben sie keine Wohnung. Menschen aus ehemals sicheren sozialen und finanziellen Verhältnissen, die heute wohnungslos sind. Menschen wie Du und Ich.
Ich habe schon viele interessante Menschen mit zum Teil erstaunlichen Geschichten getroffen, die mir von ihrer Vergangenheit erzählt haben und dankbar sind für die Hilfen, die Sie in der CASA 21 erhalten. Vom Antrag zum Leistungsbezug über Unterstützung bei der Kommunikation mit der Krankenversicherung oder der Registrierung beim Wohnungsamt - die Arbeit im Zentrum für Wohnungslose ist enorm vielfältig. Auch "Soforthilfen" in Form von Essensgutscheinen oder Kleidergutscheinen gehören zu den Leistungen. Die Palette an Hilfen ist riesig und nötig, letztlich genauso riesig wie die Probleme, die die Menschen teilweise mitbringen.
Jeder Tag hält neue Geschichten bereit, kein Tag ist wie der Andere und es ist schön, das Gefühl zu haben, wirklich auf direktem Weg helfen zu können - und sei es am Anfang "nur" mit einem warmen Essen, einer Information zur Winterübernachtung oder einem Schlafsack. Ich lerne Menschen kennen, die in Gartenhütten (in meiner Nachbarschaft) leben, im Park um die Ecke unter der Rutsche schlafen oder auf der Parkbank. Und das mitten in Frankfurt, das ganze Jahr über, bei jeder Witterung.
Ich hatte schon nach kurzer Zeit einen neuen Blick auf meine Stadt bekommen. Nach nunmehr zehn Monaten in der Wohnungslosenhilfe bin ich viel dankbarer eine Wohnung zu haben, einen sicheren Rückzugsort, als jemals zuvor. Mir ist klar geworden, wie viel letztlich an einem eigenen Zuhause hängt.
Kurz gesagt: Die Hilfen sind vielseitig, der Job ist es auch. Manchmal hilft es den Menschen schon, einfach mal aus dem Alltag des z.B. Flaschensammelns ausbrechen zu können. Hier sind beispielsweise die Teilnahme an unseren Freizeitangeboten wie "Frankfurt neu erleben", um wieder neuen Mut zu schöpfen, hilfreich. Es ist toll, was eine Partie Minigolf am Nachmittag oder ein Spielenachmittag im Günthersburgpark alles bewirken können…
Sie möchten mehr erfahren über die Arbeit der Wohnungslosenhilfe im Caritasverband Frankfurt, sich selbst engagieren oder Spenden? Weitere interessante Eindrücke von Kolleg*innen und einen Einblick in die Wohnungslosenhilfe erhalten Sie hier im Rundbrief 4/2021.