"Manche Familien wurden um zwei Jahre zurückgeworfen"
Mustapha Charkaoui arbeitet seit 2018 beim Caritasverband Frankfurt in der Beratung der Wohnraumhilfe.Sophie Schüler
Mustapha Charkaoui kommt mit dem Fahrrad zum Gespräch. Zwischen zwei Terminen bei Familien, die er im Rahmen der Wohnraumhilfe betreut. Was sind für ihn die größten Veränderungen in seiner Arbeit, die sich in den letzten zwei Jahren ergeben haben? Charkaoui: "Ich glaube, das Belegungsverfahren der zwischengemieteten Wohnungen zum einen und zum anderen, dass die Integrationsbemühungen der Familien oft wieder zurückgeworfen wurden und wir teilweise von vorne anfangen müssen."
Insgesamt dauern die Vermittlungen von Wohnungen heute länger als vor zwei Jahren. Das liegt an der umfangreichen Aktenlage der Anträge im Sozialamt, die durch den Wegfall der offenen Sprechstunden seit Corona die einzige Entscheidungsgrundlage für die Vergabe der zwischengenutzten Wohnungen sind. Es liegt aber auch an den Familien selbst. Während früher Familien einer Wohnung zugwiesen wurden, wünschen sie heute oftmals einen Besichtigungstermin und sagen tatsächlich auch manchmal Wohnungen ab. Eine mögliche Ursache: Familien sind jetzt bis zu fünf Jahre in einer großen Unterkunft und haben sich im Stadtteil eingelebt. Sie haben ein Netzwerk gebildet, haben Bekannte und Freunde, die Kinder meistens einen Kita oder Schulplatz. "Da reißt man seine Familie nicht mehr aus dem Gefüge, wenn man der eigenen Wohnung vom Wohnungsamt durch die lange Registrierungszeit schon so nah ist", so Charkaoui.
Caritas als sicherer Mieter
In den vergangenen Monaten hat die Wohnraumhilfe viele neue Wohnungen zur Vermietung erhalten. "Ein sicherer Mieter wie der Caritasverband ist für Vermieter immer eine gute Alternative, auch wenn die erzielte Miete nicht so hoch ist wie am freien Markt", erklärt Charkaoui. Und schließlich wollten viele Menschen den Geflüchteten aus der Ukraine helfen und boten ihren Wohnraum an. Charkaoui: "Das ist einerseits natürlich sehr gut und gut gemeint. Uns bringt das aber in einen Konflikt, denn schließlich sind wir für alle Menschen in Not da, unabhängig von ihrem Herkunftsland. Eine Gleichbehandlung ist für uns damit nicht mehr möglich."
Corona lässt Integrationsbemühungen stocken.
Wohnen die Familien dann in den zwischengenutzten Wohnungen, zeigt sich derzeit, dass der individuelle Beratungsbedarf sehr stark gestiegen ist. Ganz oft hat das sprachliche Gründe. Während der LockdownPhasen fanden keine Sprachkurse statt, die SprachCafés blieben geschlossen. Man blieb unter sich, hatte keine Kontakte und sprach nur noch in der Muttersprache. Charkaoui: "Für viele Familien und vor allem für Frauen bedeutet das, dass sie wirklich um zwei Jahre zurückgeworfen wurden. Erlernte Sprachkompetenzen sind oft schon wieder verfallen. Hier müssen wir oft wieder ganz von vorne anfangen."
Neben den sprachlichen Kompetenzen fehlen häufig auch die digitalen. "Früher habe ich nach dem Einzug den Menschen die nächsten Schritte erklärt: Anmeldung beim Stromversorger, Ummeldung beim Bürgeramt. Ich habe versucht, sie anzuleiten, das eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Das läuft heute alles nur digital, das ist für viele eine unüberwindbare Hürde", sagt Charkaoui. Auch wenn die meisten keinen Computer haben, ein Handy hat jede*r. Da kann man schon viel machen. "Die Kombination von fehlenden Sprach und Anwendungskompetenzen lässt viele scheitern. Deshalb ist das Projekt der digitalen Teilhabekompetenz im Caritasverband auch so wichtig für unsere Bewohner*innen."
Zur Wohnraumhilfe:
Die Wohnraumhilfe der Wohnungslosenhilfe des Caritasverbands mietet sogenannten zwischengenutzten Wohnraum von privaten Eigentümern oder Kirchengemeinden an. Das Sozialamt der Stadt Frankfurt wählt aus, welche Personen oder Familien in den Unterkünften die höchste Dringlichkeit haben und dort einziehen können. Die Wohnraumhilfe ermöglicht also einen wichtigen Zwischenschritt nach der Unterbringung in einer Unterkunft hin zu einer eigenen, selbst finanzierten Wohnung mit eigenem Mietvertrag. Mustapha Charkaoui betreut die Bewohner*innen im Übergang zu einer selbst finanzierten Wohnung.
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Sibylle Becht
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