„Immer darauf bedacht, persönliche Begegnungen weiterhin zu ermöglichen“
"Gemeinsam sind wir die Herausforderungen Stück für Stück angegangen", sagt Dagmar Blosfeld, Leiterin der Eltern- und Jugendberatung Stadtmitte. "Wir mussten unsere drei Spielzimmer umstrukturieren, um zusätzliche größere Räume für Präsenz-Beratungen zu bekommen. Weiterhin persönlich für die Menschen, die wir begleiten, da zu sein, ist für mich sehr wichtig. Auch wenn dies bedeutete, dass wir im Winter bei offenem Fenster mit Decken bei einer Beratung sitzen." Daneben wurde das Angebot der Video-, Telefon- und Onlineberatung ausgebaut. Auch "Walk und Talk" war und ist eine gute Möglichkeit, in Präsenz zu beraten.
Von einer Corona-Welle zur nächsten wächst die psychische Belastung
"Wir sind zunehmend mit Überforderung und starken psychischen Beanspruchungen in Familien konfrontiert. Das versuchen wir auch unter veränderten Gegebenheiten aufzufangen. Während der Lockdowns spitzte sich vor allem die Situation der Kinder getrenntlebender Eltern zu - insbesondere dann, wenn ein Elternteil nicht in Frankfurt lebt. Plötzlich sind sich die Eltern bezüglich des Umgangsrechts mit den Kindern nicht mehr einig. Die Ängste vor Verlust, gepaart mit den realen Verlusten, die sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern auftauchen, nehmen einen enorm großen Raum ein", erklärt Blosfeld.
"Hier müssen wir neue Wege gehen, gemeinsam mit den Eltern eine Möglichkeit finden. Wir versuchen zu deeskalieren, zu schlichten und dafür zu sorgen, dass der Kontakt, der zu einem Elternteil zeitweise eingestellt wurde, wiederhergestellt werden kann. Die zuständigen Behörden waren nur sehr eingeschränkt erreichbar und überlastet. Das hat unsere Arbeit zusätzlich erschwert. Es gibt beispielsweise eine Mutter, die ihr Kind nur unter kontrollierter Begleitung sehen darf. Sie kommt nun alle
zwei Wochen zu uns, um ihre Tochter bei uns zu treffen. Hierfür mussten wir ein für alle verständliches und sicheres Hygienekonzept erarbeiten."
Wie wird die "Generation Home-Schooling" in das eigene Leben starten?
"Am meisten Sorgen mache ich mir bei den Siebt- bis Neuntklässlern", betont Dagmar Blosfeld. "Ich bin mir sicher, dass wir uns als Gesellschaft auf langfristige Auswirkungen einstellen müssen: Verlust sozialer Kompetenz und Bildung, Vereinsamung und Verlustängste - beispielsweise der Eltern. Dies alles gepaart mit einem sehr hohen Medienkonsum, der die Schwierigkeiten beim Lernen noch verstärkt. Einige Lehrer berichten, dass Schüler*innen dieser Jahrgänge beim Online- Unterricht einschlafen, weil sie die ganze Nacht über gespielt haben."
Es gibt keine Kamerapflicht während des Unterrichts - daher können die Schüler*innen nebenher weiterspielen, sich online vernetzen und bekommen so überhaupt nichts mehr vom Unterrichtsstoff mit. "Aus meiner Sicht werden in Zukunft Bildungscamps und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Jugendhäusern nötig sein, um die Defizite, die sich während des Corona-Jahrs bei den Schüler*innen etabliert haben, stückweise wieder auszugleichen."
Dagmar Blosfeld leitet die Eltern- und Jugendberatung Stadtmitte und bietet mit ihrem Team Beratung und Unterstützung für Kinder, Jugendliche, Eltern und Familien bei Fragen zur Erziehung, Schwierigkeiten im familiären Miteinander und Entwicklungsfragen an. Das Angebot umfasst unter anderem die Projekte "Beschützter Umgang", konfliktregulierende Beratung, Gruppen für Trennungskinder, Elternkurse "Kinder im Blick", Erziehungsberatung in Konfliktfällen und weitere präventive Angebote.