"Engagiert im Quartier"
Engagiert im Quartier: Mahlet Teklemariam Desta Caritasverband Frankfurt, Carolin Simon
Die Gründung und Leitung einer Schule - ganz und gar ehrenamtlich - stellt ein besonderes Nachbarschaftsprojekt in Unterliederbach dar. Unterstützt wird das Projekt durch den Nachbarschaftsverein Unterliederbach sowie das Quartiersmanagement Unterliederbach des Caritasverbands Frankfurt. Als Teilnehmerin im aktuellen Jahrgang der Bürger-Akademie plant Mahlet Desta die nächsten Schritte in ihrem Projekt.
Wo und wie engagieren Sie sich?
Im April 2010 habe ich gemeinsam mit meiner Freundin Sofia Reshad die äthiopische Fidel Amharische Schule gegründet. Die Schule ermöglicht es Kindern und Jugendlichen auf spielerische Weise, die amharische Sprache in Wort und Schrift zu erlernen. Ziel ist es, zwei Sprachen und zwei Kulturen zusammenzubringen und dies als Bereicherung anzusehen.
Angefangen haben wir mit einer Krabbelgruppe in St. Aposteln in Sachsenhausen. Fünf Jahre später sind wir dann mit der Schule in die Räumlichkeiten des Nachbarschaftsvereins Unterliederbach gezogen, da ich auch in Unterliederbach wohnte. Hier findet seitdem immer freitagnachmittags der Unterricht statt. Mittlerweile gibt es vier Gruppen: eine Gruppe für Kindergartenkinder (spielen und musizieren), zwei Gruppen ab dem Grundschulalter zum Erlernen der 231 Buchstaben sowie eine Abschlussgruppe mit Schwerpunkt Grammatik und Landeskunde. Für jede Gruppe gibt es einen Elternbeirat, einen Lehrplan. Ein spielerischer Test bzw. eine Abschlussprüfung stellen sicher, dass die Lernziele erreicht wurden. Aktuell sind wir ein Team von vier Lehrer*innen und unterrichten 40 Kinder und Jugendliche. Seit der Gründung engagieren wir uns täglich ehrenamtlich in der Schule.
Was hat Sie motiviert die Schule zu gründen?
In erster Linie wollten meine Freundin und ich einen Ort für unsere Kinder schaffen, an dem sie anderen Kindern mit äthiopischen Migrationshintergrund begegnen können. Da es so etwas in unserer Umgebung noch nicht gab, haben wir dies in die Hand genommen. Wir haben die Schule zu zweit aus eigenen Mitteln und Ressourcen aufgebaut. Es war kein leichter Weg, aber meine Freundin und ich sind wie zwei Puzzlestücke, die mit ganz viel Leidenschaft, Ausdauer und Mut ihre Vision verfolgt haben. Wir möchten Kulturen zusammenbringen, Identität stiften und vermitteln, dass man gemeinsam stark ist. Viele Unterstützer*innen konnten wir von unserer Idee begeistern. So ist seit 2018 Dr. Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, unser Schirmherr.
Was gibt Ihnen Ihr Engagement zurück?
Geld ist es auf jeden Fall nicht, das muss man an dieser Stelle erwähnen. Wir sind mittlerweile vier Lehrer*innen und arbeiten alle ehrenamtlich. Unsere Motivation bekommen wir durch die Kinder und Jugendlichen, deren Erfolge wir sehen: Junge Menschen, die ihre eigene Sprache sprechen, schreiben und lesen können. Sie beim Erwachsen werden zu begleiten und sie in ihrem Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein zu bestärken, sind unsere Motivatoren. Würde uns unsere Arbeit nicht so viel Spaß machen, dann hätten wir mit Sicherheit nicht durchgehalten.
Was war bislang Ihr schönster Moment im Ehrenamt?
Es gab viele schöne Momente und Meilensteine. Dieses Jahr haben sieben Kinder die Schule erfolgreich abgeschlossen. Wir begleiten einige Kinder seit der Krabbelgruppe, da ist ein Abschluss im Jugendalter nach vielen gemeinsamen Jahren ein toller Moment.
Am 5. Dezember ist Tag des Internationalen Ehrenamtes: Was möchten Sie allen Engagierten sagen, die mit ihren eigenen Ideen in den Startlöchern sitzen?
Nichts muss von Anfang an perfekt sein. Man fängt klein an und arbeitet sich langsam in kleinen Schritten hoch. Wir sind das perfekte Beispiel dafür. Wir haben mit acht Kindern begonnen und mittlerweile unterrichten wir ca. 40 Kinder. Für uns ist das ein Riesenerfolg. Das klappt auch bei anderen Gruppen/Initiativen, die klein anfangen und als Gruppe gemeinsam ihre Idee vorantreiben. Offenheit für Neues und das Erkennen und Nutzen von Potentialen sind weitere Faktoren für ein erfolgreiches Projekt. Zudem gibt es in fast allen Stadteilen Nachbarschaftsbüros/-initiativen, die gut vernetzt sind und Wissen, Ressourcen und Erfahrungen für den Aufbau von Projekten mitbringen. An dieser Stelle möchte ich auch Oliver Göbel (1. Vorsitzender im Nachbarschaftsverein Unterliederbach) und Bernardo Sprung (Quartiersmanager Unterliederbach) ein großes Dankeschön aussprechen. Sie haben uns immer unterstützt, insbesondere in herausfordernden Zeiten, wie der Corona-Pandemie, und uns somit die Möglichkeit gegeben, mit unserem Projekt zu wachsen.
Sie sind Bürgerakademikerin: können Sie hier neue Erkenntnisse für Ihre Projekte mitnehmen?
Auf jeden Fall! Die Bürgerakademie zeigt mir jedes Mal aufs Neue, wie ich die amharische Schule noch besser leiten und koordinieren kann. Dadurch bin ich den Anforderungen meines Ehrenamts als Schulleitung gewachsen und fühle mich sicher, bei dem was ich tue. Für die nahe Zukunft planen wir aus der Fidel Amharischen Schule einen Verein zu gründen. Das wäre ein großer Schritt für uns und würde mich sehr glücklich machen.