„Unbürokratisch, sofort und konkret“
Tina Müller-Bergmann erlebt in der Erstkontaktstelle so ziemlich alles. Ihr wurden schon in einem Glas Bettwanzen mitgebracht, um die Not zu Hause zu verbildlichen. Oder sie wurde mit einer Ratsuchenden konfrontiert, die aufgrund einer Wahnvorstellung meinte, der Teufel sei hinter ihr her. Ein anderes Mal fungiert sie als Vermittlerin zwischen Beratenden und Ämtern, Rentenversicherung, Mainova, Jobcenter oder sogar Telefonanbietern.
"Es gibt nichts, was es nicht gibt," sagt Frau Müller-Bergmann. "Seit Corona hat sich mein Aufgabengebiet stark vergrößert - normalerweise berate ich eine Person darin, das Problem zu erkennen und vermittle sie gegebenenfalls an eine Fachstelle oder Ämter direkt weiter. Aktuell ist dies jedoch erschwert, da immer noch einige Stellen keine persönliche Beratung anbieten und die Menschen mit dieser Situation überfordert sind."
Von der Beratung zum "Full-Service"
In den Gesprächen geht es aktuell nicht nur um Beratung, sondern um ein Miteinander, bei dem Frau Müller-Bergmann immer wieder neue Wege findet, um zu handeln. "Vor allem, wenn es um Fragen der Existenz geht, versuchen wir schnell und unbürokratisch zu helfen", erklärt Müller-Bergmann. "Ich rufe bei Mainova an und versuche zu verhindern, dass der Strom abgestellt wird, oder fülle den Antrag auf Unterstützung gemeinsam mit der Person aus. Mittlerweile bin ich Expertin in sozialrechtlichen Fragen. Da die Ämter nur noch telefonisch oder digital ansprechbar sind, kommen die Menschen zu uns, wenn sie Formulare oder Bescheide nicht verstehen. Inzwischen kenne ich mich darin ziemlich gut aus."
Raus aus der Ohnmacht - rein ins Handeln
"Menschen befinden sich seit Corona in für sie aussichtslosen Situationen und wissen nicht mehr weiter. Ich höre dann erst mal zu, zeige Verständnis und unterstütze, um die Person aus der gefühlten Einflusslosigkeit heraus in die Handlungsfähigkeit zu führen." Abgesehen von der Klientel, die normalerweise die Erstkontaktstelle aufsucht, kommen vermehrt Personen, die sich vor Corona immer gut alleine zu helfen wussten. "Wir haben seit Corona verstärkt auch Menschen hier sitzen, die in ihrem Job komplexe Zusammenhänge bearbeiten, aber mit der Situation, durch Corona arbeitslos geworden zu sein, erstmal überfordert sind", betont Tina Müller-Bergmann. "Die brauchen dann eine Starthilfe, um den Horizont wieder zu sehen und ihre Gedanken zu sortieren. Ist der Anfang gemacht, können sie alleine weiterlaufen."
Tina Müller-Bergmann ist Mitarbeiterin der Erstkontaktstelle für Ratsuchende mit sozialen Fragen und Anliegen in Frankfurt. Die Beratungsstelle in der Geschäftsstelle fungiert als Clearingstelle und Allgemeine Sozialberatung. Frau Müller-Bergmann und ihre Kollegin Andrea Dickmann sind oftmals die ersten Ansprechpartnerinnen für Menschen in Not.
Ob sozialrechtliche Themen, Hilfestellungen in der Kommunikation mit Ämtern, Klärungsbedarf bei komplexen Bescheiden des Jobcenters oder verschiedene Themen während einer Lebenskrise - das Team der Erstkontaktstelle bietet Gespräche zur Erstorientierung bis hin zur Begleitung und gemeinsamen Suche nach einem Lösungsweg an. Durch die gute Vernetzung in andere Einrichtungen oder Anlaufstellen bietet die Erstkontaktstelle auch viele Möglichkeiten, an professionelle und langfristige Hilfe weitervermittelt zu werden.