Den ganzen Tag in der Schule? Sogar in den Ferien?
VON: BERIT RÜTHER
"Bis später zur AG!", "Kommst Du heute zu uns in den Hort zu Besuch?" oder
"Wo bleibt Christina? Die Laufgruppe geht gleich los." - das sind Aussagen, die einem um die Mittagszeit
an einer ganztägig arbeitenden Schule in Frankfurt zu Ohren kommen.
Beim Anstieg der Kinderzahlen steht Frankfurt bundesweit an der Spitze. Die Prognose für die kommenden Jahre sagt für Kinder im Alter von null bis zehn Jahren einen Zuwachs von jährlich 1.953 Kindern voraus, Tendenz steigend. Die Frage nach ausreichend Betreuungsplätzen für die vielen Kinder stellt sich ganz automatisch. Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Stadt Frankfurt intensiv mit dem Ausbau von Kindertageseinrichtungen und Krippen. Da mit der Einschulung der Betreuungsbedarf der Familien nicht aufgehoben ist und die Familienformen sich verändert haben, führt dies zu einer stetigen Nachfrage. Für die meisten Grundschulkinder endet der Unterricht zur Mittagszeit und - um weiterhin berufstätig sein zu können - benötigen die Eltern eine Betreuung im Anschluss an die Schule und in den Ferien sogar ganztags. Großes Ziel der Stadt Frankfurt gemeinsam mit den unterschiedlichen Trägern ist es, bis zum Jahr 2020 allen Kindern und Familien, die Bedarf haben, einen Betreuungsplatz vermitteln zu können. Bei der Schaffung von Plätzen für Grundschulkinder wird neben der ursprünglichen Hortbetreuung auf den Ausbau und die Entwicklung vonganztägig arbeitenden Schulen gesetzt - seit 10 Jahren auch in Kooperation mit dem Caritasverband Frankfurt.
Mittlerweile ergänzen die sogenannten Erweiterten Schulischen Betreuungen an über 60 Grundschulen in Frankfurt neben den Horten das Betreuungsangebot für die älteren Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Neben einer Vielzahl anderer Träger organisiert auch der Caritasverband insgesamt fünf Erweiterte Schulische Betreuungen an der Liebfrauenschule, der Valentin-Senger-, der Astrid-Lindgren- und der Friedrich-Fröbel-Schule sowie der Grundschule Riedberg. Die Kosten für die Eltern sind analog zu den Elternentgelten in den Horten gestaltet und die Kinder werden nach Unterrichtsschluss verbindlich bis 15 oder 17 Uhr, in den Ferien und an schulfreien Tagen ganztags, betreut. An vielen Schulen besteht auch die Möglichkeit, vor Unterrichtsbeginn, in der Regel ab 7:30 Uhr, eine Frühbetreuung in Anspruch zu nehmen. Zu den bestehenden Angeboten der Betreuung der älteren Kinder am Nachmittag durch Horte und ganztägig
arbeitende Schulen kommen ergänzend weitere Angebote und Programme hinzu, wie beispielsweise
Sternpiloten (Frankfurter Lerngruppen) und NaSchu-Schulen (Modellprojekt "Ganzheitliche Nachmittagsangebote an Frankfurter Schulen"). Die Angebote werden an den Schulen vor Ort durch den gleichen Träger oder einen zusätzlichen Träger organisiert. Seit Beginn des Schuljahres 2016/17 nehmen 13 Schulen am Programm "Pakt für den Nachmittag" in Frankfurt teil, darunter auch eine Grundschule in Kooperation mit dem Caritasverband Frankfurt. Dieses Angebot ist ein weiterer Schritt, die Bildungs- und
Betreuungsangebote für Grundschulkinder auszubauen. Der Fokus liegt dabei auf der Gestaltung des
Bildungs- und Betreuungsangebotes für ältere Kinder unter dem Aspekt, eine räumliche und fachliche
Verbindung in der Zusammenarbeit zu gestalten.
Kooperation von Jugendhilfe (SGB VII) und Schule (Schulgesetz) - Chance und Herausforderung
Die Chancen der Kooperation von Jugendhilfe und Schule sind zugleich vielversprechend und herausfordernd. Menschen verschiedener Professionen arbeiten mit den Kindern zusammen und Bildung bedeutet nicht mehr "nur" Mathematik, Deutsch- oder Sachunterricht. Freundschaften, Hobbies, soziale
Beziehungen, Interessen und Entwicklung eigener Ideen werden als ebenso wichtige Bildungsziele angesehen. Schule wird als ganztägiger Lebens- und Bildungsraum betrachtet. Phasen der Anspannung
und Entspannung strukturieren den Tag für die Kinder. In Unterricht, Lernzeiten, Projekten, Arbeitsgemeinschaften und freien Spielzeiten gibt es Raum zum Lernen, Spielen, Relaxen, Bewegen, gemeinschaftlichem Essen und kreativ sein.
Unterschiedliche Arbeitgeber, Arbeitszeiten und Ausbildungen stehen der Kooperation manchmal auch im Wege und nicht selten gelangen die Akteure im "Ganztag" dadurch an ihre Grenzen. So einzigartig wie jedes der betreuten Kinder ist, so einzigartig stellt sich auch an jeder Schule die Kooperation und die Konzeption dar. Die Rahmenvorgaben der Stadt Frankfurt für einen gelungenen Ganztag, wie beispielsweise die Einführung von Lernzeiten statt Hausaufgaben oder die Rhythmisierung des Schultages, sind zwar für alle Standorte gleich, jedoch ließen sie den Schulen und Trägern bisher ebenso viel Raum, um eigenständige zur Schule und zum Stadtteil passende Wege zu entwickeln und den Ganztag individuell umzusetzen.
Horte als Auslaufmodell?
Wurden die Horte in den letzten Jahren eher zweitrangig betrachtet, so spricht die Bildungsdezernentin der Stadt Frankfurt, Sylvia Weber, seit ihrem Amtseintritt im Sommer 2016 eher von einem zeitweisen Ausbau der Hortstrukturen, um das Ziel der flächendeckenden Versorgung bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Für die Beibehaltung der bestehenden Horte spricht sich auch der Caritasverband Frankfurt aus. Es sprechen jedoch nicht nur quantitative Aspekte, wie das Ziel der Versorgung aller Grundschulkinder, für das Bestehen der Horte. So ist die Diversität der Betreuungsformen ein wichtiger Aspekt in der Betreuungslandschaft. Um auf die individuelle Lebensphase der Kinder und Familien reagieren zu können, stellt der Hort neben den ganztägig arbeitenden Grundschulen eine hohe Priorität der Verlässlichkeit dar. Einige der ältere Kinder sind in kleineren Strukturen und Einrichtungen gut aufgehoben und profitieren von der großen Altersmischung (in der Regel zwischen drei und zehn Jahren), dem kleineren Rahmen und der individuelleren Begleitung, die im großen schulischen System nicht immer gegeben ist. Auch tut vielen Kindern ein Orts- und Personenwechsel am Nachmittag gut - ist doch für manche Kinder Schule immer noch mit Leistungsdruck verknüpft. Ziel muss deshalb nicht sein, die Betreuung gänzlich in die Schulen zu verlagern, sondern den Kindern Betreuungsformen zu bieten, die ihnen und ihrer Entwicklung gut tun - das kann für die einen ein ganzer Tag in der Schule sein, für die anderen Kinder der Wechsel in den Hort am Nachmittag.