Erstkontaktstelle/Allgemeine Sozialberatung: Die „Hausärzt*innen“ unter den Beratungsstellen
Die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen kann man treffend als "Generalistinnen" in der komplexen Beratungslandschaft bezeichnen. Im Interview geben beide einen Einblick in ihren abwechslungsreichen Arbeitsalltag.
Mit welchen Problemen kommen die Menschen in die Erstkontaktstelle?
Zu uns kommen Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Fragestellungen. In den meisten Fällen geht es um eine kurzfristige und konkrete Beratung zu sozialrechtlichen Themen, da es häufig Kommunikationsprobleme im Umgang mit Ämtern gibt. Viele Menschen verstehen die komplexen Bescheide des Jobcenters oder der Agentur für Arbeit nicht und suchen Hilfe. Bei einem Anteil von ca. 75 Prozent an Menschen mit Migrationshintergrund sind es oft sprachliche Hürden, die den Umgang mit den Behörden und das Ausfüllen von Formularen erschweren. Hier sind wir sehr oft auch als Vermittlerinnen gefragt. Die Corona-Pandemie hat dies verstärkt, da die Ratsuchenden bei den meisten Institutionen nicht mehr persönlich vorsprechen können, um ihre Anliegen zu klären.
Wohnungsprobleme sind ein weiteres Thema, da es seit Jahren einen Mangel an kostengünstigen Wohnungen in Frankfurt gibt und Menschen teils in unwürdigen Wohnverhältnissen ausharren müssen. Der Anteil psychisch kranker Menschen hat in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen. Häufig haben diese Menschen Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen oder kommen mit den Behörden nicht zurecht. Es kommen aber auch Ratsuchende, die vor einem neuen Lebensabschnitt stehen oder sich in einer Lebenskrise befinden und psychosoziale Beratung suchen. Die Erstkontaktstelle ist ein "Seismograph" für aktuelle soziale und gesellschaftliche Themen. Meist sind wir die erste Anlaufstelle für die Ratsuchenden.
Mit welchen Erwartungen kommen die Menschen?
"Die Caritas" ist als großer Wohlfahrtsverband und verlässlicher Ansprechpartner bekannt. Viele Ratsuchende haben die Erwartung, dass Ihnen konkret, schnell und zuverlässig geholfen wird. Es gibt manchmal auch unrealistische Erwartungen, zum Beispiel dass "die Caritas" medizinische Hilfsmittel bezahlt, die die Krankenkasse nicht übernimmt, oder finanzielle Unterstützung geben könne für die Erstausstattung der neuen Wohnung.
Wir versuchen, die Menschen in die Lage zu versetzen, dass sie in ihrem Alltag wieder allein zurechtkommen.
Es lassen sich nicht immer alle Erwartungen erfüllen. Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie Ratsuchenden keine befriedigende Lösung anbieten können? Nehmen Sie manchmal die Probleme vom Tag mit nach Hause?
Manchmal können wir in einer konkreten Situation nicht helfen, dann müssen wir sowohl die Frustration der Ratsuchenden als auch die "eigene Machtlosigkeit" aushalten. Das Hilfesystem funktioniert nicht in allen Bereichen gut beziehungsweise ist nicht immer perfekt miteinander verzahnt. Durch die Spezialisierungen in der sozialen Arbeit müssen Ratsuchende für unterschiedliche Themen jeweils verschiedene Beratungsstellen aufsuchen. Viele wünschen sich Hilfe "aus einer Hand" - auch das ist ein Grund, warum viele zu uns in die Erstkontaktstelle kommen.
Sicher geht uns das ein oder andere persönliche Schicksal auch nach Feierabend nach. Für uns bleibt es eine tägliche Herausforderung, in der Beratung die Balance zu halten zwischen einer empathischen Nähe und professioneller Distanz.
Wie läuft die Weitervermittlung? Erfolgt diese vorwiegend an Caritas-Einrichtungen oder an externe Stellen?
Im ersten Kontakt klären wir das Anliegen und finden mit gezielten Fragestellungen heraus, ob wir selbst die weitere Beratung übernehmen können oder ob wir an eine andere Stelle vermitteln müssen. Innerhalb der Caritas vermitteln wir vorrangig an die Migrationsberatung, die Frauenberatung, die Schuldnerberatung, das Zentrum für Wohnungslose - CASA 21 und an die Altenhilfe weiter.
Wenn weiterer Unterstützungsbedarf besteht, vermitteln wir an ehrenamtliche allgemeine Sozialberatungsstellen, die unter anderem auch in Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden angeboten werden. Die Ratsuchenden können dann wohnortnah stadtteilorientierte Hilfe erfahren. Die Ehrenamtlichen werden von unserem Team geschult und kollegial beraten.
Extern vermitteln wir häufig an die mietrechtliche Beratung des Wohnungsamts, den Schreibservice der Lehrerkooperative, den sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamts sowie die unabhängige Patientenberatung Deutschland, um nur einige Adressen zu nennen. Zum Teil müssen wir selbst recherchieren, um die passende Anlaufstelle für die spezielle Fragestellung regional oder auch bundesweit zu finden. Wir wissen sehr viel, aber nicht "Alles".
Das Jahr 2020 war durch die Corona-Pandemie geprägt. Was hat sich verändert? Merken Sie Auswirkungen im Hinblick auf die Nachfrage?
Wir mussten unsere offene Sprechstunde einstellen und haben unser Beratungsangebot umgestellt. Aktuell bieten wir an vier Tagen in der Woche eine telefonische Sprechstunde an. Das erste Clearing-Gespräch findet also am Telefon statt. Aber im Gegensatz zu einigen anderen Beratungsstellen und Ämtern bieten wir nach wie vor auch persönliche Beratungstermine hier in der Geschäftsstelle an. Aufgrund sprachlicher Hürden ist die Kommunikation am Telefon oft erschwert. Auch die Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen ist nur in einem persönlichen Kontakt möglich. Durch die Pandemie sind die Anfragen bei uns deutlich gestiegen, auch weil viele Ämter und Behörden den Publikumsverkehr komplett eingestellt haben. Aus Datenschutzgründen können zudem viele Dinge nur persönlich vor Ort geregelt werden. Fragen zum Thema Arbeitslosengeld haben in der Pandemie deutlich zugenommen.
Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit?
Die Abwechslung. Jeder Arbeitstag ist anders, da immer wieder neue Problemstellungen auftauchen. Wir wissen an keinem Tag, was uns erwartet, und wir sind herausgefordert, unser Wissen laufend zu erweitern und uns in neue Sachverhalte einarbeiten. Wir beraten Menschen aus sehr vielen verschiedenen Nationen und bekommen dadurch einen Einblick in deren unterschiedliche kulturelle Lebenswirklichkeiten. Das ist sehr bereichernd und öffnet den eigenen Horizont immer wieder neu.
Das Interview führte Beate Weismüller, Mitarbeiterin im Zentralbereich Kommunikation und Marketing im Caritasverband Frankfurt e. V.
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Zahlen der Erstkontaktstelle im Jahr 2020
Insgesamt wurden 933 Männer und Frauen beraten, zum Teil mehrfach. Daraus ergeben sich insgesamt 2.745 Beratungskontakte, wovon 1.008 persönlich, 1.438 telefonisch und 299 per Mail stattfanden. Die beiden Kolleginnen arbeiten mit 30 und 24 Wochenstunden in der Erstkontaktstelle, außerdem gibt es zwei Minijobber*innen.