Mobilität und Miteinander
Es ist donnerstags, 11 Uhr, inmitten von Nied. Vor dem Büro des Quartiersmanagements herrscht Aufbruchsstimmung. Nach und nach finden sich Menschen jenseits der 65 ein und begrüßen sich herzlich. Auch Vierbeiner Tarki ist dabei und bekommt eine große Portion Aufmerksamkeit, die er offensichtlich genießt.
Alexandra LadachCaritasverband Frankfurt e. V.
Alexandra Ladach heißt alle willkommen, erkundigt sich nach dem Wohlbefinden und schaut in die Anmeldeliste. Die Diplom-Pflegewirtin des Caritasverbands ist zuständig für die Präventiven Hausbesuche - Gesundheitsberatung für Senior*innen des Caritasverbands und organisiert und begleitet den Stadtteil-Spaziergang in Nied, der einmal im Monat stattfindet. Sie berichtet: "Der Startschuss für die Spaziergänge war Ende 2021. Wir wollten bei den Aktionswochen ‚Älterwerden in Frankfurt‘ eine Aktivität anbieten. Vor dem Hintergrund der präventiven Gesundheitsberatung für Senior*innen entstand die Idee der Stadtteil-Spaziergänge.
Für die Stadtteile in Höchst, Nied und Unterliederbachfinanziert das Frankfurter Programm "Würde im Alter" bereits seit Jahren Präventive Hausbesuche bei älteren Menschen. Bei der individuellen Beratung geht es darum, vorbeugend darüber zu informieren, was ein gesundes und gutes Leben im Alter fördert und welche Unterstützungsmöglichkeiten oder Aktivitäten es gibt. "Die Spaziergänge waren quasi ein folgerichtiges Angebot", so Ladach. Sie haben vielfältige positive Wirkungen, die alle das gesunde Altern unterstützen und die Lebensqualität verbessern. Die Beweglichkeit wird gesteigert, das Herz-Kreislauf-Systemgestärkt und das Immunsystem unterstützt. Ganz vorne stehen die Effekte auf die Psyche: das Spazieren fördert Ausgeglichenheit und hilft, Stress abzubauen.
Wertvoller Austausch en passant
"Die Prävention von Einsamkeit ist einer der wertvollsten Effekte der Spaziergänge", sagt Ladach. "Es tut gut, in Gemeinschaft zu sein und miteinander zu reden. Die Menschenkommen ganz niederschwellig in Kontakt und genießen es, einfach nur ein Schwätzchen zu halten oder sich über die eigene Lebensgeschichte auszutauschen. "So auch bei diesem Spaziergang. Der Weg führt an der Nidda entlang und eine Dame erinnert sich beim Anblick des Wassers an ihre Kindheit in Unterfranken. "Ich habe es geliebt, im Main zu schwimmen", berichtet sie. "Wir waren arm, aber ich habe mich glücklich und frei gefühlt. 1945 sind wir aus Ungarn geflüchtet, daran kann ich mich noch erinnern. Wir haben ein neues Zuhause gefunden und ich konnte eine wunderbare Kindheit erleben. Als Teenager brach eine andere Zeit an, der Umzug nach Frankfurt veränderte mein Leben. Die Berufstätigkeit begann und das Unbeschwerte war Vergangenheit. Oftmals, wenn es schwierige Phasen gab, erinnerte ich mich an meine Kindheit und habe sie als Quelle der Kraft und Zuversicht empfunden", so die über 80-Jährige. Sie ist froh, die Erinnerung in diesem Moment mit anderen teilen zu können. Die Gelegenheiten des Austauschs nehmen im Alter immer mehr ab, die Zahl der sozialen Kontakte sinkt. "Der Freundeskreis wird immer kleiner. Das liegt in der Natur der Sache. Daher bin ich für diese Kontaktmöglichkeit sehr dankbar."
Gemeinsam in Bewegung sein
"Die Spaziergänge sind eine gelungene Ergänzung zum Beratungsangebot der Präventiven Hausbesuche und verknüpfen sich bestens mit dem Quartiersmanagement in Nied", fasst Ladach zusammen. Bestätigt wird sie von einer Abstimmung mit den Füßen: Seit Beginn ist die Zahl der Spaziergänger*innen kontinuierlich gestiegen. Aus der anfänglichen Idee ist eine gut nachgefragte Aktivität geworden. Zum Start des Spazierangebotsstellte sich Ladach auf den damaligen Markt in Nied und warb aktiv dafür. Inzwischen funktioniert die Mundprogaganda. "Beim letzten Treffen waren wir 21!", freut sich Irene Sittig. "Das ist eine große Motivation für mich, dass das Angebot so gut angenommen wird." Sie begleitet die Spaziergänge von Anfang an und kam durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit beim Quartiersmanagement dazu. Schon jahrelang bringt sie sich dort aktiv ein. "Ich habe lange gearbeitet und als ich dann mit Mitte 70 in Rente gegangen bin, hatte ich Zeit und wollte etwas tun. Eines Tages habe ich im Quartiersmanagement nachgefragt und Marja Glage, Quartiersmanagerin in Nied, hatte vom Fleck weg eine Aufgabe für mich."
Kein Spaziergang gleicht dem anderen. Die Routen ändern sich, der Radius wird größer und manchmal bringt der Bus die Gruppe an den Startpunkt oder wieder nach Nied zurück. Erweitert wurden die Spaziergänge auch im kulinarischen Sinne: Nach dem Laufen steht oft eine gemeinsame Einkehr auf dem Programm. Auch die Vernetzung mit anderen Gruppen wird gepflegt. Mit dem Frankfurter Gesundheitsspaziergang und dem Frauenfrühstück in Nied gab es gemeinsame Aktivitäten und neue Kontakte sind entstanden.
Alle Teilnehmenden sind begeistert und schätzen das offene und zwanglose Miteinander. Die meisten sind daher regelmäßig dabei und gehen bei Wind und Wetter vor die Tür." Manchmal muss ich mir auch einen Ruck geben", räumt eine Läuferin ein. Doch sie schiebt schnell hinterher: "Aber es tut mir immer sehr gut, wenn ich dabei gewesen bin."
Kontakt:
Alexandra Ladach
Präventive Hausbesuche | West
069 2982-1404
alexandra.ladach@caritas-frankfurt.de