Familien brauchen soziale Netzwerke
Um während der Pandemie weiterhin für die Familien da zu sein, hat die Eltern- und Jugendberatung ihr Angebot angepasst und den Familien weitere Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Zu nennen sind hier Gespräche im Freien (Walk and Talk), Videochat und telefonische Beratung. Vor allem letzteres wurde sehr häufig in Anspruch genommen, sie hat vielen Ratsuchenden den Kontakt deutlich erleichtert. Diese Kanäle werden auch weiterhin neben den persönlichen Beratungsgesprächen vor Ort angeboten.
"Isolation ist gerade für Familien ein Problem."
Familien haben viel Kraft und Energie aufgebracht, um die besondere Situation und die einschneidenden Maßnahmen in der Pandemie zu meistern. "Auch wenn die Ressourcen, die die Familien einbringen können, sehr unterschiedlich sind, wurde doch deutlich, wie alle Familien die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel genutzt haben, um sich auf die herausfordernde Situation einzustellen", so Michael Kraus. Dennoch sind die Folgen der Pandemie
auch in der Eltern- und Jugendberatung sichtbar: Soziale Kontakte mussten zurückgefahren werden, Treffen und der Austausch mit anderen waren stark reduziert. Das Grundbedürfnis nach Nähe und Zugehörigkeit war massiv eingeschränkt, oft verbunden mit Sorgen um die eigene Gesundheit, die von Familienmitgliedern und Freunden, teilweise verstärkt durch ökonomische Sorgen und das Gefühl einer unsicheren Zukunft. Die erzwungene Isolation
hat Auswirkungen auf die Lebensqualität und damit auf die psychische und physische Gesundheit. Studien zeigen, dass Menschen während Corona häufiger an Symptomen der Angst, Schlaflosigkeit oder allgemeinen Stresssymptomen litten. Gerade für Familien war und ist diese Situation schwierig. Restriktionen und Einschränkungen unter Corona haben besonders deutlich gemacht, wie wichtig soziale Netzwerke und eine gute soziale Infrastruktur für Familien sind. Sie brauchen die Kontakte und die Unterstützung im Alltag für ihre eigene emotionale Verfassung, aber auch um einfache Dinge zu klären, die sich im Alltag als Aufgabe stellen.
Kinder gerieten aus dem Blick
Die Folgen durch Corona lassen sich gerade für Schulkinder nicht leugnen. Vor allem im Grundschulbereich wurden viele Kinder beeinträchtigt. Das betrifft zum einen ihre Lerngeschichte, in erster Linie den Erwerb der grundsätzlichen Fähigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens. Aber auch die sozialen und emotionalen Kompetenzen, die im Klassenverband erworben und für ein gutes Miteinander und ein positives Lernklima wesentlich sind. Auch wenn die Schulen sehr viel unternommen haben, um die Kinder zu unterstützen und zu begleiten, ist doch vieles auf der Strecke geblieben. Eltern haben oft viel zu spät von den Schwierigkeiten ihrer Kinder erfahren. "Ich glaube, dass Kinder so ein bisschen aus dem Blick geraten sind. Überall dort, wo nicht so viel Präsenzunterricht stattfinden konnte, wurde die Lernbiografie, die Lerngeschichte der Kinder nicht immer systematisch verfolgt", so Michael Kraus. "Das finde ich sehr traurig und sehr schwierig für die Kinder. Weil das auch etwas ist, was nachgeholt werden muss, was nicht einfach ist."
Jugendliche wurden ein Stück ihrer Biografie beraubt
Eine zweite große Gruppe, die durch die Corona-Pandemie besonders gelitten hat, sind die Jugendlichen. Durch Kontaktbeschränkungen und Homeschooling waren sie in den Aktivitäten, die Jugendliche in dieser Lebensphase besonders leben und leben müssen, massiv
eingeschränkt. Der Kontakt zur Peergroup als zentrale Ressourcen in der Phase der Adoleszenz war massiv eingeschränkt. Das hat Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Ablösung vom Elternhaus. Den Jugendlichen wurde viel genommen. "Man kann schon
feststellen, dass dies in den Beratungen mit den Themen ‚Einsamkeit’ oder ‚depressive Verstimmungen’ seinen Ausdruck findet", so Kraus. Auch abgesehen von den Fällen, die deutliche Symptome zeigen, war es generell für Jugendliche eine extrem schwierige Zeit, in der sie um ein Stück ihrer Biografie beraubt wurden. Das klare Fazit des Einrichtungsleiters aus den besonderen Herausforderungen der beiden Jahre: "Man muss überlegen, was Familien an Anlaufstellen, an Unterstützung, an Angeboten brauchen, die sie einfach und unkompliziert in Anspruch nehmen können, damit sie ihr Familienleben gut hinbekommen können. Das ist für mich ein zentrales Thema, das man gerade jetzt nicht aus dem Blick verlieren darf."