Nach einem gemeinsamen Empfang begann die Feier mit einem interreligiösen Gottesdienst in der hauseigenen Kapelle. "Wir gestalten unsere Gottesdienste bewusst interreligiös, weil die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die unsere Einrichtung besuchen, aber auch die Mitarbeitenden ganz unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehören", erklärte Bettina Kahle, Leiterin des Schulbereichs.
Sebastian Hofmann, Leiter des Wohnbereichs, betonte in seiner Begrüßungsrede: "Wir feiern hier bewusst nicht ‚70 Jahre Heilpädagogische Institut Vincenzhaus‘, sondern wir feiern die Kindheit als solche. In 70 Jahren ist viel passiert, und nicht auf alles, was in dieser Zeit passiert ist, können wir heute stolz sein."

Vom Erholungsheim zum modernen Bildungs- und Betreuungszentrum
Die Geschichte des Vincenzhauses reicht weit über 70 Jahre zurück. Das charakteristische Fachwerkgebäude wurde zwischen 1880 und 1888 vom renommierten Architekten Max Meckel errichtet, der auch den Frankfurter Römer restaurierte. Finanziert wurde der Bau durch die Stiftung eines wohlhabenden Frankfurter Kaufmanns.
1888 zogen die ersten erholungsbedürftigen Kinder ein. Nach wechselvoller Geschichte - unter anderem als Kriegsquartier und später als Säuglingsheim - wurde 1955 das Heilpädagogische Institut Vincenzhaus gegründet. Zeitgleich nahm die dortige Schule, heute "Schule am Vincenzhaus", ihre Arbeit auf.
Aufarbeitung und Transparenz
Das Vincenzhaus stellt sich auch seiner dunklen Vergangenheit. Gabi Hartmann vom Caritasverband Frankfurt verwies in ihrem Grußwort auf Fälle sexueller und physischer Gewalt in den 1950er bis 1970er Jahren, die erst in den letzten Jahren gemeldet und aufgearbeitet werden konnten. "Dies gehört zur Geschichte des Hauses und wird auch auf unserer Homepage transparent dargestellt", erklärte sie.
Wissenschaftliche Impulse zur modernen Kindheit
Zwei hochkarätige Fachvorträge bereicherten die Veranstaltung: Dr. Eva Maria Schuster, Professorin für Theorie und Systematik der Sozialarbeit, sprach über die Ambivalenz heutiger Kindheit und zunehmende Ungleichbehandlung. Professor Dr. Sabine Andresen, Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, hielt einen Vortrag mit dem Titel "Kindheit kann nicht warten" und betonte das Recht von Kindern auf Gegenwart - also darauf, ihre Kindheit im Hier und Jetzt leben zu dürfen.
Ein wichtiger Teil von Hofheim
Der Hofheimer Bürgermeister Wilhelm Schultze würdigte in seiner Festrede die besondere Verbindung des Vincenzhauses zur Stadt. Seine Beziehung zur Einrichtung begann bereits in seiner Kindheit: "Meine Mutter hat mich früher zum Fußballtraining gefahren und dabei häufig Kinder aus dem Vincenzhaus eingesammelt und später wieder nach Hause gebracht. So habe ich zum ersten Mal wahrgenommen, dass es diese Einrichtung gibt", erinnerte er sich. Als Jubiläumsgeschenk überreichte Schultze passenderweise Fußbälle an die Einrichtung und betonte: "Die Kinder gehen hier zur Schule, leben vor Ort, gehen in die Vereine - und viele Mitarbeitende sind Hofheimer. Das Vincenzhaus ist ein wichtiger Teil unserer Stadtgesellschaft, und wir wollen als Stadt ein verlässlicher Kooperationspartner sein."
Das Vincenzhaus ist heute eine der größten Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe im Caritasverband Frankfurt und die einzige außerhalb des Frankfurter Stadtgebiets.