Mit dem Talker lässt sich auch scherzen
Adrian Vallen übt mit Carmen Wulf, damit sie ihn die gewünschten Worte und Sätze sagen lassen kann.Harald Westbeld
„Ich möchte eine andere Arbeit,“ klingt es in klarer und netter, wenn auch erkennbar technisch erzeugter Stimme aus dem Bildschirm. Carmen Wulf weiß, dass ihre Gruppenleiterin in der Werkstatt das nicht gern hört. Aber sie meint es ja nicht ernst. Mit dem „Talker“ kann sie nicht nur ihre tatsächlichen Wünsche äußern, auch scherzen geht jetzt und jeder versteht sie. Viele der Beschäftigten und Bewohner der Caritas Wohn- und Werkstätten Niederrhein (CWWN) rund um Moers waren bislang darauf angewiesen, dass ihre Betreuer sie gut genug kannten, um aus Gesten und Lauten zu erschließen, was ihnen am Herzen liegt. Aber niemand sonst konnte sie verstehen.
In einem von der Aktion Mensch unterstützten Projekt sollen Beschäftige und Bewohner künftig allen Menschen gegenüber ihre Wünsche und Gefühle äußern können - die meisten mit moderner Technik, andere mit Gebärdensprache. Die Krankenkasse übernimmt dabei die Kosten der individuellen Diagnostik und Versorgung. Mit Hilfe der Aktion Mensch soll das Projekt im Sozialraum vernetzt und die Beratung im sozialen Umfeld erreicht werden, so Barbara Telgen, Leiterin des Bereiches Wohnen und Freizeit: „Das ist für das Gelingen der Unterstützten Kommunikation notwendig“. Dieses Netzwerk stehe jedem Ratsuchenden offen, auch wenn er kein Bewohner oder Beschäftigter der CWWN sei.
„Mehr ist nicht zu schultern“
Egal ob wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung und oft der Kombination, vielen Menschen mit Behinderung fehlt die Möglichkeit sich verständlich mitzuteilen. Eine Erhebung habe gezeigt, dass von 400 Bewohnern in den Wohneinrichtungen der CWWN am linken Niederrhein etwa 120 damit Schwierigkeiten haben, weiß Telgen. Sie hat früher mit Gehörlosen gearbeitet und deshalb das Projekt „Unterstützte Kommunikation“ in Angriff genommen. Vor vier Jahren gestartet gewinnt es jetzt richtig an Schwung. „70 Bewohner befinden sich zur Zeit in der Diagnostik“, erklärt Telgen: „Mehr ist nicht auf einmal zu schultern“.
Die CWWN haben dabei den Vorteil, dass sich eine der wenigen logopädischen Praxen für erwachsene behinderte Menschen in Moers befindet. Zehn bis 20 Sitzungen seien für jeden Einzelnen im Zentrum für unterstützte Kommunikation (ZUK) notwendig, um den passenden Weg zu finden. Das kann ein „Talker“ sein, ein robuster Tablet-Computer, aber auch ein „Ich-Buch“. Der Talker wiederum muss individuell auf jeden behinderten Menschen zugeschnitten werden und kann zwischen neun und 300 Felder für bestimmte Begriffe und Sätze haben, die angewählt werden können. Manchmal geht es auch mit Tastatur.
Und dann muss geübt werden. Betreuer Adrian Vallen hat mit Carmen Wulf zusammen gesessen, geduldig die Menüs erklärt und ist wieder und wieder mit ihr die verschiedenen Möglichkeiten und Kombinationen durchgegangen. Symbole führen sie zu den einzelnen Feldern wie Arbeit oder Essen, Freizeit oder Befindlichkeiten. Jetzt kann sie jedem mitteilen, dass sie zum Frühstück ein Ei wünscht und ohne Nutella geht gar nicht.
Ich-Buch kann helfen
Carmen Wulf kann jetzt mit technischer Hilfe sogar scherzen. Mit Talker und Gebärden können sich behinderte Menschen verständlich machen. Caritas Münster