In einem kleinen Büro der Caritas Frankfurt sitzt Tanja Schmidt-Schaun. Ihr warmer Blick verrät eine tiefe Empathie, die nur jemand entwickeln kann, der jahrelang Menschen in ihren verletzlichsten Momenten begleitet hat. Seit über einem Jahr berät sie Frauen und Paare, deren größter Wunsch, ein Kind zu bekommen, zu einem schmerzhaften Kampf geworden ist.
Die unsichtbare Last der Kinderlosigkeit
Zehn Prozent aller Paare kämpfen mit ungewollter Kinderlosigkeit. Hinter dieser Zahl verbergen sich unzählige Geschichten von Hoffnung, Verzweiflung und manchmal auch Resignation. Die Verteilung ist fast gleichmäßig: 40 Prozent der Probleme liegen bei der Frau, 40 Prozent beim Mann, 10 Prozent bei beiden Partnern, der Rest bleibt ungeklärt. Oftmals verbirgt sich ein medizinisches Rätsel hinter der Kinderlosigkeit, die viele Paare an den Rand ihrer Belastbarkeit treibt.
Tanja kennt diese Geschichten. Sie hat Frauen getroffen, die buchstäblich alles für ihren Kinderwunsch geopfert haben. Zum Beispiel habe sich ein Paar so sehr ein Kind gewünscht, dass es seine Wohnung aufgab, in einem Hotel in einer anderen Stadt lebte und sich dabei hoch verschuldete, nur mit der Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung.
Eine medizinische Odyssee
Die Wege der Fortpflanzungsmedizin sind nicht einfach zu beschreiten. Für Frauen bedeutet die Behandlung eine enorme körperliche und emotionale Belastung: Hormonspritzen, unzählige Ultraschalluntersuchungen und Follikelpunktionen unter Vollnarkose. Während Männer nur unterstützend zur Seite stehen können, trägt die Frau die Hauptlast der medizinischen Intervention.
"Es ist eine angespannte, stressige und psychisch belastende Situation", erklärt Tanja. Viele Frauen versuchten, ihre Behandlung vor Kollegen und Arbeitgebern zu verbergen - ein zusätzlicher emotionaler Druck in einem ohnehin schon herausfordernden Prozess.
Gesellschaftlicher Druck und persönliche Grenzen
Familiäre Erwartungen, kulturelle Normen und gesellschaftliche Vorstellungen von Elternschaft verstärken den Leidensdruck. Tanja berichtet von einem extremen Fall, in dem Eltern ihren Sohn gedrängt haben, seine Frau zu verlassen, weil sie keine Kinder bekommen konnte - ein erschütterndes Beispiel für die Komplexität dieses Themas. "Das hat er glücklicherweise nicht gemacht", ergänzt die Beraterin.
Neue Wege: Solo-Mütter und alternative Perspektiven
Doch es gibt auch Geschichten von Stärke und Resilienz. Dazu gehören Solo-Mütter, die bewusst den Weg der Samenspende wählen. Oftmals sind sie gut vorbereitet, haben stabile Jobs, durchdachte Finanzpläne und ein starkes soziales Netzwerk.
Bei lesbischen Paaren dreht sich alles um die Samenspende - ein Prozess, der heute transparent und mit Blick auf das Kindeswohl gestaltet ist. Spender werden registriert, und Kinder haben später das Recht, ihre biologische Herkunft zu erforschen.
Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt
Doch nicht jede Geschichte endet mit einem Baby. Ein wichtiger Teil von Tanjas Arbeit ist es, Paaren zu helfen, auch ohne Kind Frieden zu finden. "Es geht darum, den Leidensdruck zu überwinden", sagt sie. Das bedeutet, alternative Lebensentwürfe zu erkunden: Adoption, Pflegschaft, berufliche Träume oder erfüllende Hobbys.
Manchmal ist der Weg das Ziel und manchmal geschieht ein Wunder, wie bei einer Erzieherin, die nach mehreren Fehlgeburten schwanger wurde, nachdem sie zu Tanja gekommen war. Zunächst konnte sie es kaum glauben, aber am Ende hielt sie ein Babyfoto in den Händen. Die Arbeit von Tanja ist mehr als nur Beratung. Sie ist ein Leuchtturm der Hoffnung in einer der emotionalsten Reisen, die Menschen gehen können.