Seit 25 Jahren wird das sogenannte Flughafen-Asylverfahren am Frankfurter Flughafen angewendet. Der Caritasverband Frankfurt spricht sich nachdrücklich für die Abschaffung des Flughafenverfahrens aus, da in diesem Rahmen nicht sichergestellt werden kann, dass Menschen auf der Flucht den erforderlichen Schutz erhalten und ihre Rechte wahrnehmen können. Ein faires Asylverfahren für schutzbedürftige Frauen, Männer und Kinder kann nicht gewährleistet werden. "Humanitäre Grundsätze können in einer geschlossenen Einrichtung nicht eingehalten werden", sagt Jutta Eisert, Migrations-Expertin im Caritasverband Frankfurt.
Der Kirchliche Flüchtlingsdienst am Flughafen, ein Angebot des Evangelischen Regionalverbands und der Caritas in Frankfurt, begleitet Geflüchtete durch das komplizierte Flughafen-Asylverfahren. "Unsere Erfahrungen zeigen, wie sich Schnellverfahren an der Grenze auswirken können", erklärt Jutta Eisert. Das Maßnahmenpaket der Großen Koalition greife mit der Einführung eines "beschleunigten Asylverfahrens" und der "Fiktion der Nichteinreise" zwei zentrale Elemente des Flughafen-Asylverfahrens auf. Die "Fiktion der Nichteinreise" bedeutet, dass Asylsuchende sich in Deutschland nicht frei bewegen dürfen, bis die Frage einer Zurückweisung geprüft ist. "Für uns ist das ein Modell, dass nicht auf die deutschen Grenzen ausgeweitet werden darf", so Eisert weiter.
Kritikpunkte des Caritasverbands Frankfurt am Flughafen-Asylverfahren:
1. Schlechtere Voraussetzungen im Asylverfahren - auch nach der Einreise
Selbst wenn aufgrund der Entscheidung des Bundesamts den Asylsuchenden die Einreise gestattet wird, führt das oft zu Nachteilen für sie. Der zeitliche Druck wirkt sich auf die Anhörung aus. Nur das, was dort besprochen und geklärt wird, kann in das Protokoll einfließen, das dann Grundlage ist für das weitere Asylverfahren auf deutschem Boden. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass zum Beispiel Asylgründe, die für das weitere Verfahren entscheidend wären, nicht behandelt werden. Ein späteres Vortragen wirkt sich in der Regel aber rechtlich nicht mehr positiv aus.
In den Herkunftsländern konnten die Geflüchteten den Mitarbeiter/-innen von Behörden nicht vertrauen, rechneten mit Korruption, Willkür und Bestechlichkeit. Eine Asylverfahrensberatung durch die kirchlichen Verbände kann in der Kürze der Zeit nur eingeschränkt über rechtsstaatliche Abläufe, die Arbeitsweise der Behörden und die komplexen Anforderungen im Flughafen-Verfahren aufklären. Somit können auch die Geflüchteten zumeist nur eingeschränkt verstehen, worauf es im Verfahren ankommt. Es ist lebensfremd, von Geflüchteten zu erwarten, dass sie sich nach kurzem Aufenthalt in einem fremden Land - noch dazu gezwungenermaßen in einer geschlossenen Unterkunft - Behördenmitarbeitern umfassend offenbaren.
2. Das Verfahren benachteiligt gerade besonders Schutzbedürftige - zum Beispiel Frauen
Die EU-Richtlinie 2003/9/EG fordert, dass besonders schutzbedürftige Asylbewerber, zum Beispiel Folteropfer und unbegleitete Minderjährige, als solche erkannt werden, um eine adäquate Behandlung zu ermöglichen. Das aber ist im Rahmen eines Schnellverfahrens nicht möglich.
Viele Frauen sind in den Heimatländern betroffen von geschlechtsspezifischer Verfolgung, Frauenhandel, Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und Ehr-Gewalt. In Kriegs- und Krisengebieten ist der systematische Einsatz sexualisierter Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen ein Regelfall. Darüber hinaus sind Frauen - ebenso wie unbegleitete Jugendliche - während der Flucht einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, werden misshandelt und sexuell ausgebeutet.
Gerade sie sind aufgrund von Scham, Angst, Demütigung und Traumatisierung meist nicht in der Lage, in einer Anhörung zu schildern, was ihnen widerfahren ist. Doch auch von ihnen wird am Flughafen erwartet, dass sie unmittelbar im Stande sind, ihr Schicksal in Einzelheiten und widerspruchsfrei vor dem Bundesamt darzulegen. Von Traumatisierten ist das aber nicht zu erwarten. Ihnen droht daher insbesondere im Schnellverfahren, dass Fluchtgründe in der Anhörung nur lückenhaft zur Sprache kommen oder ihr Asylantrag gar als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wird.
3. Aufwand und Kosten des Flughafen-Asylverfahrens sind unverhältnismäßig
Es stellt sich die Frage nach dem Sinn eines Flughafen-Asylverfahrens, das mit enormen Kosten verbunden ist, damit die Präsenz der Behörden und die Organisation einer geschlossenen Unterkunft gewährleistet werden kann.
In der Mehrzahl der Fälle kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu dem Ergebnis, dass die Einreise gestattet werden muss, damit das Asylverfahren im Inland weitergeführt werden kann. In den letzten fünf Jahren haben nach Aufzeichnungen der Caritas im Schnitt rund 1.200 Menschen pro Jahr das Flughafen-Asylverfahren durchlaufen. Als "offensichtlich unbegründet" wurden die Anträge von weniger als fünf Prozent der Menschen abgelehnt (ca. 55 Personen).
4. Die "Fiktion der Nichteinreise" führt zu hohen Belastungen für Schutzsu-chende in der geschlossenen Unterkunft - bis hin zu Suizidversuchen
Die Einhaltung humanitärer Grundsätze kann in einer geschlossenen Unterkunft für Geflüchtete nicht gewährleistet werden. Die Asylsuchenden am Frankfurter Flughafen leben für die Zeit des Verfahrens - und ggfs. Monate bis zur Zurück-weisung - in einem Gebäude, das sie nicht verlassen können. Es ist wie ein Gefängnis um einen Innenhof organisiert, mit Schleusentüren und Kamera-Überwachung. Zum Stress der haftähnlichen Unterbringung kommt die Überforderung durch das Schnellverfahren.
Die hohe Belastung der Geflüchteten spiegelt sich in der Statistik des Landes Hessen: Im Jahr 2017 kam es in der Unterkunft zu einem Suizid sowie zu 18 Fällen von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen. Das sind mehr Fälle als in allen neun offenen Hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen zusammen: In 2017 gab es in diesen 13 Fälle von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen, keinen Suizid.
Über das beschleunigte Verfahren am Flughafen
Paragraph 18a Asylgesetz sieht vor, dass Asylsuchenden, die über einen Flughafen einreisen wollen, die Einreise verweigert werden kann, um zuvor ein Asylverfahren am Flughafen durchzuführen. Das ist dann der Fall, wenn die Betreffenden sich nicht mit einem gültigen Pass ausweisen können, oder wenn sie aus einem Land kommen, das als "sicherer Herkunftsstaat" gilt.
In Frankfurt werden diese Asylsuchenden für das sog. Flughafen-Asylverfahren in einer geschlossenen Unterkunft im Transitbereich untergebracht. Damit verbunden sind kurze Fristen: Die Asylsuchenden müssen unverzüglich nach ihrer Ankunft einen Asylantrag stellen. Manchmal haben sie dann nur ein oder zwei Tage, um sich von der Flucht zu erholen. Danach wird von ihnen erwartet, dass sie bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) chronologisch, plausibel und mit allen erforderlichen Einzelheiten - Daten und genauen Abläufen - ihre Fluchtgründe darlegen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheidet anschließend binnen zwei Tagen, ob die Asylsuchenden einreisen dürfen, oder ob der Asylantrag "offensichtlich unbegründet" ist. Bestätigt das Verwaltungsgericht anschließend die Entscheidung "offensichtlich unbegründet", führt das in der Regel zu einer Zurückweisung. Für den gesamten Ablauf sind 19 Tage vorgesehen. Monate können dann im Einzelfall vergehen, bis eine Zurückweisung vollzogen wird, oder bis - im Fall eines Dublin-Verfahrens - die Weiterreise in ein anderes EU-Land möglich ist.